Die größeren Kunststädte der Emilia Romagna sind nicht nur wunderschön und voller architektonischer Sehenswürdigkeiten, sie punkten auch mit großartigen Museen und tollen Ausstellungen, die eine Reise wert sind.
Kunststädte der Emilia Romagna – wo es die schönsten Museen und Ausstellungen gibt
Bei Italien denkt jeder zunächst ans Essen. Erst recht, wenn es um die Emilia geht, den „Bauch“ Italiens. Doch auch hier gibt es neben Tortellini, Mortadella und Aceto Balsamico noch andere Highlights.
Modena
In Modena sind und waren ein paar große Persönlichkeiten zu Hause. Gourmets kennen vor allem die fantastische Osteria Francescana und deren Inhaber und Küchenchef Massimo Bottura, der längst weltweit bekannt ist und sich vor Auszeichnungen kaum retten kann.
Liebhaber schneller Autos verbinden Modena, beziehungsweise das gleich nebenan gelegene Maranello, dagegen mit Enzo Ferrari. Sein 1947 gegründetes Unternehmen residiert dort mit Produktion, futuristischem Ferrari Museum und einer Trattoria, deren Küche auch von Massimo Bottura geleitet wird.
Ganz in der Nähe dieses automobilen Imperiums steht eine eher unauffällige hellrote Villa. Sie gehörte dem Startenor Luciano Pavarotti, der sie für sich und seine Familie errichten ließ und hier Freunde, Fans und Schüler empfing. Heute ist dort ein Museum untergebracht – Casa Museo Luciano Pavarotti – das von der gemeinnützigen Luciano-Pavarotti-Stiftung geleitet wird, die nach Pavarottis Tod von im Jahr 2007 gegründet wurde.
Die Stiftung hält das Andenken an Maestro Pavarotti lebendig und gibt jungen SängerInnen die Möglichkeit, sich Gehör und Anerkennung zu verschaffen. Auf mehreren Etagen sind sowohl seine privaten Wohnräume zu sehen – Schlafzimmer und buttergelbe Küche inklusive – als auch Dinge, die er mochte und ihm wichtig waren.
Eines seiner farbenprächtigen Lieblingshemden ist hier ebenso ausgestellt wie diverse Bühnenkostüme, das Klavier, an dem er sich selbst und andere zu begleiten pflegte, unzählige Auszeichnungen, die er im Laufe seiner Karriere gesammelt hat, sowie Fotos, Briefe von Freunden wie Frank Sinatra, Bono und Lady Di und anderen.
Es heißt, Maestro Pavarotti habe Architekten, Zimmerleute, Schmiede und andere Handwerker, die am Bau der Villa beteiligt waren, höchstpersönlich beaufsichtigt – daher ist diese Villa auch eine Hommage an das italienische Kunsthandwerk. Vor allem aber zeigen die vielen alltäglichen Dinge, die vielschichtige Persönlichkeit ihres Besitzers und dessen Leben jenseits vom Rampenlicht.
www.ferrari.com/en-DE/museums/ferrari-maranello
www.casamuseolucianopavarotti.it/en/
Piacenza
Die an der Grenze zur Lombardei, der fruchtbaren Po-Ebene, und am rechten Po-Ufer gelegene Provinzhauptstadt wird oft zugunsten der knapp 70 Kilometer entfernten Metropole Mailand übergangen, obwohl sie auf einer sehr überschaubaren Fläche unglaublich viel zu bieten hat.
Anstatt sich durch Großstadtgewühl zu kämpfen, kann man hier im Rahmen eines beschaulichen Spaziergangs den in schönster romanischer Architektur errichteten Dom mit reich verzierter Fassade, den über einem Laubengang mit gotischen Spitzbögen thronenden Palazzo Comunale und den imposanten Herrscherpalast Palazzo Farnese bewundern.
Zu den kulturellen Highlights zählt die Galleria d’Arte Moderna Ricci Oddi, benannt nach ihrem aristokratischen Gründer Giuseppe Ricci Oddi (1868-1937), der schon zu Lebzeiten beschloss, seine umfassende Kunstsammlung der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dafür ließ er die 1931 eröffnete Kunstgalerie errichten und hinterließ ihr bei seinem Tod fast sein gesamtes nicht unbeträchtliches Vermögen, damit die Kunstwerke weiter gepflegt werden und die Sammlung weiterwachsen kann.
In den 19 Ausstellungsräumen sind zwischen 1830 und 1930 entstandene Kunstwerke zu sehen – die meisten davon italienischer Herkunft. Ganz offensichtlich ist eine Vorliebe für toskanische „macchiaioli“ und für den emilianischen Maler Antonio Fontanesi, der zu den wichtigsten italienischen Künstlern des 19. Jahrhunderts zählt. Daneben glänzen Werke der Futuristen Umberto Boccioni und Carlo Carrà, die schlicht-schönen Stillleben von Giorgio Morandi und pastorale Alpenbilder von Giovanni Segantini.
Als besonderer Hingucker gilt aber ein Gemälde von Gustav Klimt: Sein zauberhaftes „Bildnis einer Frau“ war nämlich Objekt eines veritablen Kunstkrimis. Es wurde vor über zwei Jahrzehnten aus der Galerie gestohlen und 2019 in einem Müllsack in einem überwucherten Gartengebäude unweit davon gefunden. www.riccioddi.it
Parma
Parmaschinken und Parmesan: Parma gilt zu Recht als Eldorado für Gourmets. Andererseits wissen Literaten und Leseratten, dass es in Parma auch einen mächtigen Hof gab – Hauptschauplatz von Stendhals Jahrhundertroman „Die Kartause von Parma“. Dort lebten von 1545 bis 1731 die einflussreichen Herzöge der Farnese-Dynastie, dann die französischen Bourbonen, die Parma zu einer der wichtigsten Städte des Landes machten.
Besonders geprägt wurde Parma von Marie Louise, der österreichischen Kaisertochter und Ehefrau Napoleons, die das berühmte Opernhaus Teatro Regio errichten ließ, in dem jeweils im Frühherbst ein viel beachtetes Verdi-Festival stattfindet.
Der gigantische Palastkomplex Complesso monumentale della Pilotta gilt als das bis heute bedeutendste Symbol der herzoglichen Macht der Farneses sowie als historisches und bürgerliches Zentrum der Stadt. Er ist Sitz verschiedener kultureller Institutionen, darunter die Nationalgalerie, das Archäologische Nationalmuseum und das Holztheater Teatro Farnese.
Die Nationalgalerie ist das wichtigste Museum im Palazzo della Pilotta. Die hier untergebrachte Sammlung war Eigentum der Familie Farnese und umfasst über 700 Exponate: Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, darunter Meisterwerke von Leonardo, Tiepolo und Parmigianino.
Das 1760 von Philipp von Bourbon gegründete Archäologische Nationalmuseum gilt als eine der ältesten archäologischen Sammlungen der Welt, mit Exponaten aus der Urgeschichte, der Bronze- und Eisenzeit und der römischen Epoche sowie ägyptischen Stücken, Medaillen, Münzen und christlichen Antiquitäten. Ein besonderes Schmuckstück der Baukunst im 17. Jahrhundert ist das Teatro Farnese: Ein komplett aus Holz errichtetes barockes Hoftheater mit 3.000 Plätzen und aufwendig mit Stuck verzierten Säulen und Bögen, das wie für die Ewigkeit gemacht wirkt.
Reggio Emilia
Das wenig bekannte Provinzstädtchen Reggio Emilia hat sich dank drei Stadttheatern, die mit hochkarätigen Theater-, Ballett- und Opernaufführungen glänzen, als heimliche Kulturkapitale der Region etabliert. Das Haupthaus Teatro Valli ist ein wunderschönes klassisch-italienisches Opernhaus, während das Teatro Ariosto vor allem für Prosa-Aufführungen genutzt wird.
Das Dritte im Bunde ist das Teatro Cavallerizza – das kleinste, jüngste und innovativste. Es befindet sich in einem ehemaligen Pferdestall, der bis zum Zweiten Weltkrieg genutzt und 1986 in ein Theater umgewandelt wurde.
Alle Theater wurden natürlich ausgiebig fotografiert, aber kaum jemand hat sie mit so viel Liebe und Hingabe abgelichtet, wie der aus Reggio Emilia stammende Fotograf Luigi Ghirri, dem anlässlich seines 30. Todesjahres mehrere große Retrospektiven gewidmet werden – nicht nur in seiner Heimat, sondern auch in Paris, New York und Madrid. Reggio Emilia selbst feiert den großen Meister noch bis Ende Februar mit der Ausstellung „In scala diversa“:
Ein sehr breit angelegtes Projekt, das sich unter dem Titel “Vedere Oltre” mit verschiedenen Ausstellungen über die drei Städte Reggio Emilia, Parma und Modena erstreckt. Im Palazzo dei Musei werden erstmals jene Bilder gezeigt, die Luigi Ghirri im Themenpark „Italia in Miniatura“ in der Nähe von Rimini aufgenommen hat. Luigi Ghirri gilt als einer der wichtigsten italienischen Fotografen des 20. Jahrhunderts, dem es zudem gelungen ist, die Emilia Romagna in ihrem Wesen zu erfassen und darzustellen.
Zwischen Ende der 1970er und der ersten Hälfte der 1980er-Jahre erforschte der Fotograf den Park und reproduzierte hier sozusagen das landschaftliche, monumentale und architektonische Erbe Italiens. Er fand dort viele der konzeptionellen und ästhetischen Themen, die ihn interessierten: Illusion und Trompe-l’oeil, der Abstand zwischen der Realität und ihrer Darstellung, der Anschein einer künstlichen Natur und vor allem die Paradoxien des Maßstabs.
Sowohl die Fotografien als auch die Miniaturmodelle haben in der Tat den Prozess der Verkleinerung gemeinsam: Geschrumpfte Dinge werden überschaubarer und verständlicher.
emiliaromagnaturismo.it/luigi-ghirri
emiliaromagnaturismo.it/in-a-different-scale
Bologna
Die Hauptstadt der Emilia Romagna punktet mit der ältesten Universität der westlichen Welt, 38 Kilometern antiker, hochgewölbter Laubengänge, die seit 2021 zum UNESCO Weltkulturerbe gehören, monumentalen Backstein-Bauten und der Piazza Maggiore mit mächtiger Basilika. Das sind aber nur die bekanntesten Attraktionen.
Es gibt mehr: zum Beispiel das Museum für Moderne Kunst MAMbo und die Fondazione MAST mit ihren innovativen Fotografie-Ausstellungen. Highlight der nächsten Monate aber dürfte die Ausstellung Jago-Banksy-TVboy im Palazzo Albergati sein.
Der schöne Renaissance-Palast steht mitten im Stadtzentrum und ist schon allein einen Besuch wert: Er wurde im frühen 16. Jahrhundert als Wohnsitz der Familie Albergati errichtet und später erweitert. Hinter der imposanten Fassade gibt es wertvolle Fresken und reiche Stuckaturen zu bewundern, sowie einen Innenhof mit einem Garten römischen Ursprungs. Doch im Moment steht der Palast ganz im Zeichen des Zeitgeistes.
Die Ausstellung „Controcorrente“ stellt rund 60 Werke von zeitgenössischen KünstlerInnen aus, die als besonders innovativ, provokativ und unangepasst gelten. Mit Jago, Banksy und TVboy werden jene drei Künstler in den Mittelpunkt gestellt, die in den letzten Jahren für das größte Aufsehen gesorgt haben. Tatsächlich hat jeder von ihnen auf seine Art die Regeln der Kunst untergraben und sich geweigert, Teil des Systems zu werden.
„Controcorrente“ wird als dreifache monografische Ausstellung präsentiert, in der die bedeutendsten Werke dieser Ausnahmekünstler gezeigt werden. Von Banksy sind das unter anderem die Werke „Girl with Balloon“ oder „Bomb Love“, von Jago „Circulatory Apparatus“ und „Memory of Self“, sowie die „Kisses“-Serie und die „Heroes“-Serie von Tvboy. Dazu gesellen sich zahlreiche Werke verschiedener Künstlergenerationen, die sich von dem Trio inspirieren ließen. www.palazzoalbergati.com
Ferrara
Das Renaissance-Städtchen ist ein wenig bekanntes, mittelalterliches Juwel mit imposantem Schloss, mächtiger Kathedrale und stillen Gassen. Nur wenige Touristen verirren sich hierher, dabei ist der von der UNESCO als Weltkulturerbe klassierte historische Stadtkern für Besucher perfekt: überschaubar, verkehrsberuhigt und bis in die letzte Gasse wunderschön.
Geprägt wurde Ferrara von der Dynastie der d’Este, die zu Italiens ältesten und mächtigsten Adelsgeschlechtern zählt und in großem Stil die schönen Künste förderte. Im 14. und 15. Jahrhundert, als Ferrara seine glanzvolle Blüte erlebte, diente das imposante Schloss den Herzögen als Residenz und beherbergte ihre umfangreiche Kunstsammlung. Heute residiert hier die Provinzverwaltung, große Teile des Palasts mit Sälen und Loggien, Küche und Kerker können jedoch besichtigt werden.
Kunstfans pilgern dafür in den Palazzo Schifanoia, der gegen Ende des 14. Jahrhunderts auf Wunsch von Alberto V d’Este gebaut wurde. Der Name weist auf die Bestimmung hin: „schivar la noia“ bedeutet, die Langeweile zu vertreiben – alles hier war dem Müßiggang gewidmet und sollte den Regenten ermöglichen, mit rauschenden Festen und großen Empfängen dem eintönigen Hofleben zu entfliehen.
Heute gehört der Palast der Stadt, das dort untergebrachte Museum wurde im Oktober 2021 nach fast zehnjähriger Schließung neu eröffnet – wobei die Wiedergeburt hier eine echte Erneuerung der Ausstellung bedeutet.
Besucher dürfen sich über ein moderneres, größeres und interessanteres Museum freuen: Es gibt nun 21 Säle zu besichtigen, 1.400 Quadratmeter Ausstellungsfläche und etwa 250 Werke zu bewundern: von Miniaturen aus dem 15. Jahrhundert bis zu Skulpturen aus dem 15. und 18. Jahrhundert, von der Salonmalerei der Renaissance über die naturalistische und barocke Malerei bis hin zu Graffiti-Keramik aus der „Ära Este“, humanistischen Medaillen und päpstlichen Münzen und Stempeln.
Hinzu kommen verschiedene multimediale Ergänzungen, die den Besuchern die Geschichte des Gebäudes auch durch die virtuelle Rekonstruktion der verschiedenen Bauphasen näherbringen. Der berühmteste Raum ist sicherlich der wunderschöne und ebenfalls neu ausgestattete Salone dei Mesi (Saal der Monate), dessen Fresken-Zyklus von Meistern der Ferrareser Malerei des 15. Jahrhunderts wie Francesco del Cossa, Ercole de‘ Roberti und anderen geschaffen wurde.
Nach der Besichtigung lockt in einem Nebengebäude im weitläufigen Palast-Garten – der bezeichnenderweise „Giardino dell’Amore“ heißt – ein nostalgisches Café mit Tischen im Freien. ferraraterraeacqua.it/palazzo-schifanoia
Weitere Infos finden Sie unter: emiliaromagnaturismo.it/de